Lissabon ist für schönes Wetter, farbenfrohe Gebäude und freundliche Menschen bekannt. Ihren Besuch in der portugiesischen Hauptstadt nutzte die Baltic Outlook Autorin Nadīna Elekse dazu, die wunderbaren kulinarischen Seiten und die zauberhafte Natur dieser Region besser kennenzulernen.
Ein exotisches Märchen
An meinem allerersten Tag starte ich besonders früh und fahre mit der Bahn nach Sintra, eine rund 45 Minuten von Lissabon entfernte Kleinstadt mit einem der schönsten Bauwerke in ganz Portugal. Der bunte Pena-Palast (Palácio da Pena) ist ein im romantischen Stil hoch auf einem Hügel erbautes Schloss aus dem 19. Jahrhundert.
Bevor es das Schloss gab, diente Pena als kleines, ruhiges Kloster, in dem gerade einmal 20 Mönche lebten. Zwar hatte das Gebäude schon mehrere Naturkatastrophen mit einigen Schäden überstanden, das große Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755 machte das Kloster jedoch dem Erdboden gleich. Das verheerende Beben dauerte etwa sechs Minuten, gefolgt von einem Tsunami.
Und als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, passierte das Ganze zu Allerheiligen, so dass tausende von Kerzen in den Kirchen, Klöstern und Häusern der Menschen brannten und so für eine ganz eigene Katastrophe sorgten. Es dauerte Jahrzehnte, um die zerstörte, überflutete und niedergebrannte Stadt wieder aufzubauen. Doch das mit Erfolg.
Photo on Instagram
Das Kloster von Pena blieb bis 1838 unberührt, als Prinz Ferdinand die Ruinen zusammen mit einer großen Fläche Land kaufte und dort den berühmten Palast errichten ließ, der heute von einer gigantischen Parklandschaft umgeben ist. Der Pena-Palast gilt als das meistbesuchte Schloss Portugals und damit seine magischen Farben erhalten bleiben, wird er jedes Jahr neu gestrichen.
Photo on Instagram
Zwar habe ich Lissabon schon am frühen Morgen verlassen und stehe vor den Toren des Palasts, als diese geöffnet werden, aber es lässt sich nicht leugnen: Knapp zwei Millionen Touristen kommen jedes Jahr zum Schloss, deshalb sind die Chancen, in der Hauptsaison die Massen zu umgehen, ziemlich gering. Etwas mehr Ruhe hat man, wenn man auf den Innenbereich verzichtet, sondern sich lieber auf den Außenterrassen und in der Parkanlage aufhält, denen viele Besucher nicht so viel Aufmerksamkeit schenken.
Photo on Instagram
Nehmen Sie sich die Zeit, zu Fuß zum Schloss zu laufen. Der Anstieg dauert etwa eine Viertelstunde und ist wirklich nicht besonders steil. Wenn Sie früh am Morgen herkommen, wird der Hügel oft noch von Nebel umgeben. Dann ist das Schloss zwar nicht ganz so einfach zu fotografieren und zu sehen, aber in den Gärten mit ihren hundertjährigen Bäumen und Pflanzen herrscht eine märchenhafte Atmosphäre und die kühle Bergluft verleiht der Umgebung eine ganz besondere Note.
Nach einem Rundgang über die Terrassen des Schlosses ergattere ich einen Platz im Außencafé und sehe dabei zu, wie sich die Wolken nach und nach auflösen und wunderschöne Ausblicke auf die Umgebung freigeben. Das Schloss selbst, das gerade noch tief im Nebel lag, leuchtet im hellen Sonnenlicht. Ein wahrlich spektakulärer Anblick, der mich verstehen lässt, warum die Menschen stundenlang anstehen, um ihn zu erleben.
Der schönste Strandausflug
Bevor ich mich auf den Rückweg nach Lissabon mache, möchte ich die für ihren Strand bekannte Stadt Cascais besuchen, die besonders bei Surfern beliebt ist. Während ich auf den Bus warte, sehe ich mir genau an, welche Route dieser nimmt. Die Straße nach Cascais führt über Cabo da Roca, der westlichste Punkt des europäischen Festlands.
Photo on Instagram
Der offizielle Aussichtspunkt von Cabo da Roca ist leicht von der Bushaltestelle und dem großen Parkplatz aus zu erreichen, aber ich bemerke eine Reihe weiterer Parkplätze und auf der Karte sind ein schmaler Pfad und ein paar andere Aussichtsplätze an den Klippen verzeichnet. Ich mache mich also auf den Weg, der zwar recht einfach ist, aber keinerlei Schutz vor der heißen Sommersonne bietet, es weht lediglich ein laues Lüftchen vom Meer.
Doch der Ausblick ist wirklich spektakulär und der Weg führt langsam abwärts durch die Klippen. In beide Richtungen sind einige Menschen unterwegs und ich beschließe, nachzusehen, wohin er mich führt.
Photo on Unsplash
Das Pfad endet am wohl schönsten Strand, den ich je gesehen habe. Besonders einfach zu erreichen ist er allerdings nicht. Der Abstieg erweist sich als äußerst felsig und man muss teilweise klettern, springen und immer darauf achten, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Nach 20 oder 30 Minuten werde ich jedoch mit dem dem zauberhaften Anblick der Praia da Ursa, oder Bärenstrand, belohnt.
Photo on Unsplash
Auf dem Weg nach Cascais verwerfe ich alle bisherigen Pläne, noch ein Museum zu besuchen. Cascais ist bei Urlaubern äußerst beliebt und es ist eine Menge los, allerdings gelingt es der Stadt recht gut, alle unterzubringen, denn ganze Straßenzüge sind mit den Tischen der Restaurants vollgestellt und in der Luft liegt der Klang von Live-Musik. Ich laufe umher, um das richtige Restaurant zu finden.
Hier gibt es sowohl traditionelle Angebote als auch Restaurant mit hipper Fusion-Küche, in denen Ceviche, Hot-Dogs und vegane Gerichte in modernem Ambiente serviert werden. Ich weiß die Vielfalt zwar zu schätzen, doch nach den Strapazen des Tages brauche ich heute Abend mehr als nur Tapas und Finger Food.
Photo on Instagram
Ich suche mir das größte und lauteste portugiesische Restaurant, das so aussieht, als hätte sich dort in den letzten zwanzig Jahren nichts verändert und als wäre die Schriftart auf der Speisekarte völlig egal, Hauptsache alle Gäste verlassen den Laden pappsatt. Die riesige Portion traditionelles portugiesisches Piri-Piri Hühnchen, die ich bestellt habe, ist nach 15 Minuten aufgegessen.
Als ich etwa eine Stunde später in mein Bett in Lissabon falle, merke ich erst, wie furchtbar müde ich bin. So sehr ich meinen Ausflug nach Sintra und Cascais auch genossen habe, morgen wünsche ich mir nichts sehnlicher als Ruhe.
Zum ersten Mal Vögel beobachten
Ich habe den Tipp bekommen, nach Setúbal zu fahren, eine unbekanntere Stadt nicht weit von Lissabon entfernt. Im 20. Jahrhundert galt Setúbal als Mittelpunkt der portugiesischen Fischindustrie und obwohl keine der Sardinenfabriken heute mehr in Betrieb ist, spielt das Fischen im Alltag von Setúbal weiterhin eine wichtige Rolle.
Im Haupthafen der Stadt liegen nicht nur Jachten und private Motorboote, sondern auch Fischerboote in allen Formen und Größen. Dementsprechend gilt der Mercado do Livramento im Herzen der Stadt als einer der besten Märkte für Meeresspezialitäten weltweit.
Und genau diesen Ort suche ich als allererstes auf. Es lässt sich nicht leugnen: Mein Ausflug nach Sintra, Cabo da Roca und Cascais steckt mir immer noch in den Knochen.
Nachdem ich die Auslagen mit dem Fang des Tages bestaunt habe, gönne ich mir eine Pause in einem kleinen Geschäft namens Setúbal in My Heart am Rande des Marktes, das mich mit seiner Auswahl lokaler Portweine anlockt. Dort komme ich mit Nuno, einem der Mitarbeiter ins Gespräch. Er möchte wissen, woher ich komme, was ich bisher in Portugal erlebt habe und was ich in Setúbal alles vorhabe.
Er erzählt mir außerdem, dass sein Unternehmen Touren zum Delfin- und Vogelbeobachten anbietet. Die Delfintour ist zwar am frühen Morgen schon gestartet, Vögel könnte man aber noch am Nachmittag beobachten. Mir wird klar, dass ich mir nach dem gestrigen Tag voller eigenständiger Aktivitäten, Kletter- und Wandertouren nichts mehr wünsche, als einfach nur herumgeführt zu werden. Könnte es da eine bessere Alternative geben, als sich von einem ortsansässigen Guide die wilden Tiere der Gegend zeigen zu lassen?
Photo on Unsplash
Nuno holt mich und ein portugiesisches Paar mit seinem Bus ab und wir fahren in Richtung des Reserva Natural do Estuário do Sado, das sich über 23.000 Hektar Sumpfgebiet am Ufer des Sado-Flusses erstreckt.
Wir bekommen Ferngläser und begeben uns langsam in die schlammige Wildnis, wo Nuno genauestens die Landschaft beobachtet.
Nach rund 30 Minuten haben sich meine Augen komplett an das Fernglas gewöhnt und mir wird bewusst, dass es hier vor Vögeln nur so wimmelt. Nuno hat ein kleines Buch dabei, in dem alle einheimischen Vögel des Sumpfes zu finden sind. Mit einem professionellen Teleskop zeigt er uns die verschiedenen Arten.
Photo on Instagram
Immer wieder halten wir an, um die Flamingos in den Teichen zu bewundern. Ein etwas skurriler Anblick vor der Kulisse des Industriehafens von Setúbal mit seinen Kränen und als Kontrast dazu dieser idyllische Sommertag mit all den herrlichen Vögeln.
Auf der Rückfahrt erzählt uns Nuno mehr von der Arbeit, die er mit seinem auf Ökotouren spezialisierten Unternehmen Rotas do Sal in der Gegend leistet, beispielsweise sein Engagement zum Schutz der Storchpopulation, die vor einigen Jahren stark zurückging, sich mittlerweile aber wieder erholt hat. „Wir können die Natur nicht nur für den Tourismus nutzen“, sagt er.
„Wir müssen ihr auch etwas zurückgeben, uns für die Umwelt einsetzen. Darum sollte sich wirklich jeder bemühen, finde ich.“
An einer Austernfarm am Sado-Fluss legen wir eine Pause ein und unterhalten uns mit den Inhabern, während sie jede einzelne Auster abwiegen (mit einer Waage, die so aussieht, als hätte sie schon tonnenweise Austern gewogen) und je nach Größe in passende Kartons sortieren.
Setúbal ist für seine Delfine und Austern bekannt, zwei Tierarten, die als allererste unter dem verschmutzten Wasser zu leiden hatten, das die Industrialisierung der Stadt zur Folge hatte. „Wir geben uns die größte Mühe, diese Entwicklung umzukehren“, verrät uns Nuno. „Und mittlerweile sind sie wieder da!“
Bevor ich nach Lissabon zurückfahre, muss ich unbedingt die berühmten Austern von Setúbal probieren. Am Hafen gibt es eine ganze Reihe an Fischrestaurants, aber direkt am Strand steht auch ein Imbisswagen, der Austern verkauft.
Austern gibt es tatsächlich immer wieder mal in Restaurants, aber ein Imbisswagen mit einem solchen Angebot ist schon ein besonderer Anblick, also bestelle ich dort sechs Austern und ein Glas Sekt. Der Geschmack der Setúbal Austern ist ganz anders als alles, was ich bisher kannte. Sie schmecken sehr salzig mit einem deutlichen Tiefsee-Aroma, aber ohne, dass es zu intensiv wirkt. In Kombination mit frischgepresstem Zitronensaft sind sie einfach nur himmlisch.
Kochkurs
Es wäre einfach undenkbar, nach Lissabon zu reisen und keine Pastel de Nata zu probieren, eines der Landesgerichte Portugals. Es waren Mönche, die sich die kleinen Pasteten ursprünglich ausdachten, weil es einen Überschuss an Eigelb gab, da das Eiweiß zum Stärken der Kutten und für viele andere Zwecke eingesetzt wurde.
Das Originalrezept soll angeblich bis heute ein Geheimnis sein. Es wurde von den Mönchen an eine Familie weitergegeben, die es noch immer wie ihren Augapfel hütet. Nun ist ja aber ein Pastetenrezept keine so komplizierte Angelegenheit und deshalb haben schon viele versucht, dieses nachzuempfinden. Die Pastel de Nata findet man tatsächlich an so gut wie jeder Ecke in Lissabon.
Ist das Original deutlich besser als die Kopien? Das muss jeder selbst herausfinden. Die Bäckerei, die sich bis heute im Besitz des Originalrezepts befindet, die Fábrica de Pastéis de Belém, verkauft bis zu 20.000 der Eigelbpasteten pro Tag und die Schlange vor der Ladentür ist dementsprechend beachtlich.
Ich habe mir vorgenommen, mich der Pastete persönlich anzunehmen und sie mithilfe von Cooking Lisbon zu erlernen, ein Unternehmen, das sich auf Kochkurse mit portugiesischen Gerichten spezialisiert hat und Besucher anspricht, die sich selbst an diesen versuchen wollen.
Nach dem Kurs unterhalte ich mich mit Filipe Cordeiro, Gründer von Cooking Lisbon. „Weltweit essen die Menschen jeden Tag portugiesische Gerichte, sie haben aber keine Ahnung, woher diese kommen“, erzählt er mir. Deshalb hat er es sich zur Aufgabe gemacht, dies zu ändern.
Es klingt logisch, schließlich fuhren die portugiesischen Segler um die ganze Welt und brachten ihre Kochtechniken und Rezepte mit, die daher ferne Orte wie Brasilien, Indien und Japan erreichten, wo sie mit der landestypischen Küche verschmolzen. Ein berühmtes Beispiel ist Piri-Piri (oder Peri-Peri), Vindaloo in der indischen Küche, Feijoada in Brasilien und Tempura in Japan.
Die Zeit, die mir noch in Lissabon bleibt, möchte ich einfach nur damit verbringen, durch die Gegend zu schlendern. Ich besuche die angesagte, restaurierte Industriegegend LX Factory, spaziere am Hafen entlang und suche auf dem Flohmarkt Feira da Ladra im Alfama Viertel nach außergewöhnlichen Souvenirs.
Der Flohmarkt ist schon eine Sehenswürdigkeit für sich, aber auf dem Weg gehe ich zufällig durch eine Straße, in der lokale Künstler Originalgemälde und Fotografien unter dem Motto „Unabhängige Künstler unterstützen“ verkaufen.
Photo on Instagram
Ich unterhalte mich mit Batu, einem der Künstler, dessen abstrakte Kunstwerke das eigene Geburtstrauma verarbeiten. Und wieder einmal merke ich, dass klitzekleine Besonderheiten und einmalige Gespräche ganz einfach abseits der Pfade an jeder Ecke zu finden sind.
Diese kleinen Dinge sorgen dafür, dass ich das Gefühl habe, mehr in einer Stadt entdeckt zu haben, als man auf den ersten Blick denken würde oder was die Reiseführer hergeben. Ich habe einfach genauer hingesehen.
Erfahren Sie mehr über Lissabon im Baltic Outlook.