Für Venedig war die Coronapandemie wie eine Art Wiedergeburt. Nun, da diese einzigartige Stadt zur Normalität zurückkehrt, zeigt sie sich ihren Besuchern mit ganz neuen Geschichten und Seiten.
Die klassiker
Der legendäre Markusplatz stellt seit jeher das Herzstück von Venedig dar – eine internationale Ikone, die seit Jahrhunderten als schönstes Wohnzimmer auf der ganzen Welt bekannt ist und als Symbol für allumfassende Energie, Wohlstand und wahre Schönheit steht. Der Platz wird von eindrucksvollen Bauwerken wie den Procuratie Vecchie und Nuove, der Basilica di San Marco mit ihren sagenhaften Mosaiken und dem Torre dell‘Orologio, ein Juwel aus der Renaissance, gesäumt. Uns erwartet übrigens ein historischer Moment, denn die Procuratie Vecchie wurde gerade letzten Monat nach fünf Jahren herausfordernder Restaurationsarbeiten wieder eröffnet. Das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert ist somit zum ersten Mal seit 500 Jahren wieder für die Öffentlichkeit zugänglich und soll zu einem Zentrum für Veranstaltungen, Ausstellungen und Tagungen werden.
Am Markusplatz liegt auch das Caffè Florian (1720), das vermeintlich älteste Kaffeehaus Italiens, in dem einst Giacomo Casanova ein- und ausging. Zu weiteren berühmten Gästen im Laufe der Jahre zählten Clark Gable, Andy Warhol und Salma Hayek. Während im Hintergrund Live-Musik spielt, kann man hier ein wunderbares Tiramisù und den sagenhaften Caffè alla Venexiana genießen. Im Grancaffè Quadri (1775) auf der anderen Seite der Piazza sollten Sie die Cicchetti in ihrem eleganten ‚Gewand‘ probieren, eine typisch venezianische Delikatesse. Star-Designer Philippe Starck hat hier für das Restaurierungskonzept der historischen Räumlichkeiten gesorgt.
Aber wo kann man im traditionellen Herzen der Stadt eigentlich abseits der Massen ein wenig Ruhe genießen? Eine idyllische Oase ist beispielsweise der Giardini Reali. Dieser Park aus dem Jahr 1806 wurde vor ein paar Jahren völlig umgestaltet und erstrahlt nun in botanischer und architektonischer Hinsicht wieder in neuem Glanz. In diesem grünen Paradiesgarten erwarten die Besucher für die Lagunenregion typische Pflanzen und Blumen sowie exotische Arten wie Bambushaine neben dem architektonischen Wunderwerk des Padiglione del Caffè mit seinen gewaltigen Glasmassen und Illy Kaffeegetränken.
Foto: Zintec
Die biennale lädt zum träumen ein
Die bedeutsamste Veranstaltung dieser Saison ist die 59. Biennale von Venedig, die in diesem Jahr bis zum 27. November moderne Kunst und Künstler feiert und zu diesem Anlass Besucher in den Zentralen Pavillon und die nationalen Pavillons im Giardini, auf die alte Arsenale-Schiffswerft und an viele andere Orte im historischen Zentrum und darüber hinaus einlädt. Die künstlerische Leiterin der Ausstellung ist die aus Mailand stammende und in New York lebende Cecilia Alemani, eine der weltweit einflussreichsten Kuratorinnen im Rahmen großangelegter Projekte für zeitgenössische Kunst und außerdem die erste Italienerin in der Geschichte der Biennale, der diese wichtige Aufgabe zuteil wird.
Die Biennale vereint 213 Künstler aus 58 Ländern und konzentriert sich auf drei Kernthemen: Die Repräsentation von Körpern und ihrer Metamorphosen, die Beziehung zwischen Menschen und Technologien und die Verbindung zwischen Körpern und der Erde.
Die diesjährige Biennale läuft unter dem Titel „Die Milch der Träume“, ein Satz, der aus einem Buch der britisch-mexikanischen Künstlerin Leonora Carrington stammt. Darin beschreibt die surrealistische Künstlerin eine magische Welt, in der das Leben ständig durch das Prisma der Vorstellung neu erdacht wird. Eine Welt, in der sich jeder verändern, verwandelt werden und eine völlig neue Persönlichkeit annehmen kann.
Eine weitere inspirierende Kunstveranstaltung lässt die Herzen der Geschichts- und Textilfans in diesem Frühjahr höher schlagen: Die Eröffnung des charakteristischen Museo Fortuny. Hier, im gotischen Palazzo Pesaro degli Orfei im San Marco Viertel, verbrachten der spanische Modedesigner und Intellektuelle Mariano Fortuny y Madrazo und seine Frau, die französische Modedesignerin und Textilkünstlerin Henriette Nigrin, einen Großteil ihres Lebens und ihrer kreativen Laufbahn. Die permanente Ausstellung zeigt die Gemälde, Theaterkulissen, Lichtinstallationen, Kleidung und Stoffe von Fortuny.
Inselvielfalt
Die Magie, für die Venedig bekannt ist, zeigt sich in ihren vielen Inseln. Während wir die salzige Luft der Lagune einatmen, machen wir uns zunächst auf den Weg nach San Giorgio Maggiore, auch Insel der Zypressen genannt. Diese bedeutsame kulturelle Destination liegt mit dem Vaporetto nur ein paar Minuten von der San Zaccaria Station in Richtung Giudecca entfernt.
Die Kulturorganisation Fondazione Giorgio Cini hat ihren Hauptsitz auf San Giorgio Maggiore, von wo aus sie großartige internationale Projekte entwickelt und umsetzt. Aktuell ist im Ausstellungsbereich Stanze del Vetro die Ausstellung FontanaArte: House of Glass unter Leitung von Christian Larsen zu sehen, die sich auf die von dem Mailänder Unternehmen produzierten Meisterwerke konzentriert und mit Beteiligung von Legenden wie Gio Ponti, Max Ingrand und Gae Aulenti ins Leben gerufen wurde. Auf der Insel befinden sich auch das Borges Labyrinth mit 3200 Buchsbaumhecken in architektonischen Formen, ein Konzertsaal, ein Terrassencafé mit romantischem Ausblick auf die Segelschiffe und die unverkennbaren Umrisse von Venedig sowie viele weitere Attraktionen
Die Isola della Certosa, eine Insel, die direkt gegenüber von Arsenale liegt, nennt man auch den Central Park von Venedig. Der Stadtpark mit Wiesen, Gärten und Bienenstöcken eignet sich wunderbar für ein Picknick, zum Sporttreiben und Entspannen. Hier kann man sich ein Boot mieten oder auf der Caféterrasse über dem Wasser sitzen und mit Freunden einen Prosecco oder Veneto-Biorotwein zum Sonnenuntergang genießen.
Die Isola delle Rose (Sacca Sessola) ist ein weiteres Juwel der venezianischen Lagune. Hier befindet sich das preisgekrönte JW Marriott Venice Resort & Spa. Der namhafte italienische Architekt Matteo Thun, der den Komplex aus dem frühen 20. Jahrhundert renovierte, erklärte den Genius Loci des Projekts folgendermaßen: Hier stehen nicht die Gebäude sondern die Umwelt im Mittelpunkt – das Wasser, die Ruhe, der langsame Zeitablauf. Die Kultur und Natur der Umgebung wurden bei der Restaurierung berücksichtigt. Man entschied sich bewusst für die Verwendung regionaler Materialien wie Murano-Glas und -Spiegel sowie lokal gefertigter Ziegel, Fliesen und Stoffe. Das mit einem Michelin Stern ausgezeichnete Restaurant Fiola at Dopolavoro, das in einem Gebäude aus dem Jahr 1936 untergebracht ist, strahlt einen ähnlich lokalen und historischen Charme aus.
Beachtliche besonderheiten
Inmitten all der gewaltigen historischen Besonderheiten von Venedig kommt bei vielen Besuchern das Erbe des berühmten venezianischen Architekten und Designers Carlo Scarpa aus dem 20.
Jahrhundert zu kurz. Er war für seine meisterliche Arbeit mit Glas bekannt und es gelang ihm, Gebäude auf intelligente Weise zu restaurieren, ohne dabei das authentische Bild der Stadt zu verändern oder zu beschädigen. Wenn Sie erleben möchten, wie Tradition und Moderne in Venedig miteinander kombiniert wurden, sollten Sie das Querini Stampalia Kulturzentrum besuchen. Eine weitere Sehenswürdigkeit, die wir Scarpa zu verdanken haben, ist der Olivetti Ausstellungsbereich am Markusplatz.
Den typischen Geist von Venedig kann man am alten Mercato di Rialto erfassen. Hier auf einem der ältesten Märkte Italiens spielen bunte Farben, vielfältige Düfte und die engagierten Händler die Hauptrollen. Er geht in seiner Funktion als internationaler Handelsposten und Wirtschafts- und Finanzzentrum auf das Jahr 1097 zurück. Eines der eindrucksvollsten Gebäude im Marktviertel ist die Pescheria, ein Fischpavillon von 1907 mit venezianisch-gotischer Fassade direkt am Canale Grande. Der Markt, der das Herzstück der Stadt darstellt, ist oftmals Austragungsort verschiedener Veranstaltungen. Zu diesen Anlässen werden die Tische prachtvoll gedeckt und Sterneköche servieren exquisite Köstlichkeiten. In diesen Genuss kamen zum Beispiel die Gäste der Luxusmarke Dolce & Gabbana zu den Venice Days im vergangenen Sommer.
Auf der anderen Seite der restaurierten Rialto Brücke findet man eine weitere Besonderheit im neuen Gewand, die Scala Contarini del Bovolo. Dieser wunderschöne, 28 Meter hohe, zylindrische Turm um eine Wendeltreppe (bovolo bedeutet ‚Schnecke‘ auf Venezianisch) wurde vom Besitzer des Gebäudes, Pietro Contarini, in Auftrag gegeben. Das Bauwerk mit Merkmalen der venezianischen Renaissance und Gotik besteht aus rotem Backstein und weißen Steinen aus Istrien. Nachdem man die 80 Stufen bezwungen hat, erwarten einen ein sagenhafter Ausblick über die Stadt und unzählige Fotomotive!
Trends und venezianische seele
Osterie, bacari, trattorie – alle Venezianer, die etwas auf sich halten, wissen gutes Essen und Getränke zu schätzen. Gleichermaßen wäre ein Venedig ohne die historischen Cafés nicht denkbar, in denen die Menschen an den plastischen Marmortresen oder Bartischen Kaffee und Kuchen genießen. Besonders schön ist die Atmosphäre in der Pasticceria Tonolo (1886) mit ihren klassischen Porzellantassen, im Rosa Salva (1870), Marchini (1966) oder im Dal Mas (1906). Die Servicepreise können in Venedig in der Regel stark variieren, je nachdem ob man an einem Tisch Platz nimmt oder an der Bar stehen bleibt.
Insgesamt hat die venezianische Küche seit einiger Zeit eine gewisse Verwandlung erlebt. Natürlich muss man auf sarde in saor und baccalá mantecato nicht verzichten, aber der Trend geht dahin, die alten Traditionen der Lagune in eine innovative Küche mit ungewöhnlichen neuen Kombinationen der Zutaten umzuwandeln. Auf dieser Welle reitet auch das Restaurant Local mit, ein neues Projekt im Castello Viertel. Die gehobene Küche besticht durch Gerichte mit saisonalen regionalen Zutaten, die in legerer Atmosphäre mit Andeutungen von traditionell venezianischem Design serviert werden.
Das Venice Venice Hotel ist zu einem der hellsten Sterne am Hotelhimmel der Stadt geworden. Dieser ambitionierte Name gehört zu einem neuen Luxusprojekt am Canale Grande, gegenüber vom Rialto Markt im antiken Ca‘ da Mosto Palazzo mit seiner prachtvoll byzantinischen Fassade. Es wird von Alessandro Gallo betrieben, Innovator und Gründer der bekannten Modemarke Golden Goose. Er ist für die szenische Darstellung des Hotels verantwortlich, die einen Dialog zwischen der Avantgarde der Biennale und der Geschichte der Stadt darstellt, während das Foyer dem Concept Store für Designobjekte Venice M‘Art gewidmet ist. Mit einem derartigen Hotelkonzept strebt Gallo, wie so viele Betreiber neuer Adressen, das Venedig der Zukunft an.
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