Tampere: Ein Ort des Glücks

Die Finnen lieben Tampere. Mittlerweile acht Jahre in Folge wurde die Stadt zum attraktivsten Wohnort in Finnland ernannt. Baltic Outlook Chefredakteurin Ilze Pole ist nach Tampere gereist, um herauszufinden, warum diese naturverliebte Stadt zu den lebenswertesten Orten der Welt gehört.

Es war Mitte April, Mitternacht lange vorbei, und ich befand mich im glücklichsten Land der Welt. ‚Bin ich glücklich?‘ fragte ich mich. Davon bin ich eigentlich immer ausgegangen, obwohl mein Heimatland Lettland im aktuellen World Happiness Report Ranking nur auf Platz 51 landet, während Finnland schon seit fünf Jahren in Folge den ersten Platz belegt.

Ich habe so gut wie jeden hier befragt, wie es so ist, im glücklichsten Land der Welt zu leben – bei einem Eishockeyspiel, in der Sauna, auf einer kurzen Wanderung durch den Wald bei Tampere. Als Reaktion erhielt ich darauf meist ein Lächeln und nach einer kurzen Pause die Antwort „Also… ich weiß nicht so genau.“ Manche erzählten mir scherzend, die Finnen würden so weit voneinander entfernt leben, dass dies definitiv zu ihrem Glück beitrage. Doch die allermeisten vermuteten als Grund dafür, dass sie im Einklang mit der Natur leben.

the happiest country in the world - Finland

Meine Reise nach Tampere wurde also zur Suche nach Orten des Glücks in einer Stadt, die seit Jahrhunderten ihre natürlichen Ressourcen – vor allem Wasser – für ihre Entwicklung nutzt. In einer Stadt, die zwischen zwei blauen Seen liegt und deren Straßenzüge von braunen Backsteingebäuden dominiert werden.

Tampere - most attractive residential destination in Finland

Foto: Laura Vanzo

 

Industriekultur mit Charme

Diese braunen Backsteingebäude im Stadtzentrum stellen das industrielle Erbe von Tampere dar. 1820 wurde hier vom Schotten James Finlayson eine Baumwollfabrik gegründet, die schließlich zu einem der bedeutsamsten Industrieunternehmen ganz Skandinaviens wurde. Heute beherbergt das Finlayson Viertel Büros, Restaurants, Cafés, Geschäfte und Museen. Ein Bild, das sich eigentlich durch die gesamte Stadt zieht: Beinahe alle alten Gebäude wurden restauriert und dienen mittlerweile neuen Zwecken. Zum Beispiel das Vapriikki Museumszentrum, das auf dem ehemaligen Gelände der Tampella Fabrik zu finden ist.

Charming industrial heritage - Tampere

Foto: Laura Vanzo

Das schwedische Wort Fabrik wurde zum finnischen vapriikki, ein Name, der heute auf die Wurzeln und Bedeutung des Standorts dieses neuen Museumszentrums hindeutet. Hierbei handelt es sich inzwischen auch um eine beliebte Wohngegend: Die Wohnungen hier gehören zu den teuersten in ganz Tampere und die Holzvillen am anliegenden Hügel dienten einst als Wohnstätten der Ingenieure und Direktoren von Tampella.

Der Bau der nahegelegenen Markthalle von Tampere begann 1899. Das zwei Jahre später eröffnete Gebäude aus Stahl und Backstein ist immer noch eine der größten Markthallen Skandinaviens. Ihre damaligen Baukosten überstiegen sogar die des Doms von Tampere. Beide Gebäude kann man heute noch bewundern: Eines bringt Freude für den Körper, das andere Freude für die Seele.

Tampere Market Hall - biggest indoor market hall in the Nordic countries

In den Geschäften werden frischer Fisch, Käse und andere regionale Produkte und Delikatessen verkauft und in den kleinen Restaurants gibt es köstliche Mahlzeiten. Eigentlich sollte es nur ein kurzes Mittagessen werden, doch zwei Stunden später sitze ich mit einer Freundin immer noch an meinem Tisch im 4 Vuodenaikaa (Vier Jahreszeiten). Es liegt am Ende der Markthalle und bietet einen tollen Aussichtspunkt, um die Atmosphäre aufzusaugen und alles genau zu beobachten. Für eine Weile habe ich einfach die Zeit vergessen, habe vergessen, wer ich bin und warum ich eigentlich hier bin. Mir wird klar, dass es kaum ein schöneres Gefühl gibt, wenn man auf Reisen ist.

 

Große Träume

Die Geschichte des Doms von Tampere zeigt, was für eine kreative Energie in dieser Stadt herrscht. Das ursprünglich Johanneskirche genannte protestantische Gotteshaus entstand zwischen 1902 und 1907. Sein Architekt Lars Sonck war gerade einmal 32 Jahre alt, als er den Auftrag in Tampere übernahm, nachdem er im Alter von 23 Jahren einen Wettbewerb gewonnen hatte, dessen Gewinner die neogotische Michaelskirche in Turku entwerfen durfte. Der Dom von Tampere entstand im nationalen romantischen Stil, wobei Sonck die zunehmende Tendenz zum architektonischen Rationalismus der damaligen Zeit einfach ignorierte. Dies allein war schon ein Akt der Rebellion.

Tampere Cathedral - St Johns Church - National Romantic style - Finland

Das Gebäude verfügt über eine raue Fassade aus Granit und eine beinahe quadratische Grundfläche mit drei Kirchenschiffen. Die Gemeinde hatte sich für mindestens 2.000 Sitzplätze in der Kirche ausgesprochen, doch leider fehlten die finanziellen Mittel für ein Gebäude in der Größe. Sonck löste dieses Problem, indem er für das Innere der Kirche gewaltige Galerien entwarf. Insgesamt hinterlässt der Dom einen äußerst modernen und untypischen Eindruck, wenn man an sein Entstehungsjahr denkt. Zu bestaunen gibt es hier auch einen eindrucksvollen Altar und Fresken von zwei finnischen Künstlern, den Symbolisten Magnus Enckell und Hugo Simberg, die kaum älter als Sonck waren, als sie diese Werke vollbrachten. Wenn ich mir die drei Männer vorstelle, denke ich automatisch an drei Hipster, denen alle Freiheiten dabei gelassen wurden, sich auszutoben, ohne sich Gedanken darüber zu machen, für welch einen Aufschrei sie sorgen würden, während sie gegen die Gegebenheiten der damaligen Zeit rebellierten, als Finnland noch zum Russischen Zarenreich gehörte.

Eines von Simbergs Gemälden, das sich um die Galerie zieht, zeigt 12 nackte Engel, die einen schweren Rosenkranz tragen. Tatsächlich ist das Rosenmotiv überall im Dom wiederzufinden. Wenn man ganz genau hinsieht, trägt jeder einzelne Engel den Kranz auf seine eigene Weise, was kein Zufall ist, wenn man bedenkt, dass diese Bilder ausdrücken sollten, dass alle verschiedenen Lebensweisen und Ansätze auf ihre Art richtig sind.

Noch heute spielen große Bauprojekte in der Stadt eine wichtige Rolle. Da wäre zum Beispiel die Nokia Arena, die vom international anerkannten, amerikanischen Architekten Daniel Libeskind entworfen wurde. In der im letzten Dezember eingeweihten Arena wird am 13. Mai die Eishockey Weltmeisterschaft eröffnet. Das Turnier startet am gleichen Tag mit einer Partie zwischen Lettland und den USA. Die Arena ist ein sagenhaftes Bauwerk, vor allem wenn man bedenkt, dass sie auf einer Plattform über den Bahngleisen steht. Doch die Arena ist nur ein Teil eines Komplexes, zu dem ebenfalls ein Hotel und fünf anliegende Hochhäuser gehören, in denen Wohnungen, Geschäfte und Büros untergebracht sind. Libeskind merkte dazu an, dass jedes der Gebäude eine ganz eigene Identität habe und als Gesamtbild eine dynamische urbane Skyline darstelle.

Nokia Arena - extraordinary building - Thinking big

 

Himmelblaue Seen und Entspannung in der Sauna

Tampere ist von Seen und Wäldern umgeben und diese Farbmischung aus Blau- und Grüntönen, die dem Sommer seinen Ausdruck verleihen, sind nie weit entfernt. Außerhalb des Stadtzentrums ist es oft kaum ersichtlich, wo die Stadt aufhört und der Wald beginnt, oder ob dieser vielleicht Teil der Stadt ist, wie in Pyynikki.

Lakes and forests encircle Tampere

Foto: Laura Vanzo

Pyynikki liegt hoch oben auf dem größten längsverlaufenden Wallberg der Welt, eine Bergkette, die sich auf eine Höhe von bis zu 160 Meter über dem Meeresspiegel erstreckt und 80 Meter oberhalb der Oberfläche des Pyhäjärvi-Sees liegt. Dieser Stadtteil liegt zwischen dem Zentrum und dem westlichen Pispala. Kiefern, Europäischer Spitzahorn, Wacholderbüsche, Preiselbeeren und Alpenjohannisbeeren wachsen hier im Überfluss. Über Holztreppen gelangt man an mehreren Stellen vom See hoch auf den Gipfel des Pyynikinharju. Auch die Einheimischen kommen gerne her, ob einfach zum Spazierengehen am Nachmittag, zum Joggen oder zum Langlaufen im Winter.

Sky blue lakes and relaxing saunas

Foto: Laura Vanzo

Auch die Saunakultur wird im Alltag Tamperes ganz groß geschrieben. Sogar in meinem Hotelzimmer gibt es eine Sauna und eine genaue Beschreibung, wie ich diese benutzen soll. An einem hellen Morgen finde ich mich in der Tahmelan Huvila wieder, eine wunderschöne weiße Holzvilla am Ufer des Pyhäjärvi. Hierbei handelt es sich um ein inklusives Kulturzentrum mit einer öffentlichen Sauna. Ein Schild an der Tür weist darauf hin, dass Tampere die weltweite Sauna-Hauptstadt sei, und dabei handelt es sich nicht nur um ein Gerücht. Dieser Titel ist hochoffiziell. In der Region Tampere gibt es über 50 öffentliche Saunen. Die Rajaportti Sauna in Pispala zum Beispiel wurde im frühen 20. Jahrhundert erbaut und heißt heute noch Besucher willkommen. Und in der Rauhaniemi Sauna neben dem Näsijärvi-See werden Saunagänge sowie Jogakurse angeboten und im Sommer SUP-Boards ausgeliehen.

Rajaportti Sauna - Pispala - Tampere

Foto: Laura Vanzo

Der Überlieferung zufolge werden Saunen von guten Geistern bewohnt, um die sich in Finnland so manche Legende rankt. ‚Die Geister kümmern sich um die Sauna und dienen damit den Menschen, die sich dort aufhalten‘ sagt mein Sauna-Guide. ‚Man glaubt, dass die Geister für ein gutes Löyly sorgen, damit die Besucher gesund bleiben und Kraft tanken können.‘ Mir wird klar, dass es sich bei Löyly um die beinahe mystische Herzensenergie der Sauna handelt. Wenn man regelmäßig in die Sauna geht, gewöhnt sich der Körper daran und man beginnt früher zu schwitzen. Das bedeutet, dass sich der Körper besonders effektiv selbst reinigt. Man kann außerdem sein Durchhaltevermögen steigern, wenn sich der Körper an die Hitze gewöhnt. In einer Sauna geht es aber eigentlich nicht um Durchhaltevermögen. Es geht darum, dem Körper, der Seele und dem Geist durch Löyly etwas Gutes zu tun.

Pispala - Finland

 

 

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Text von Ilze Pole

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