Barcelona: Die Lust am Leben

Sonnenverwöhnte Strände, eine köstliche Küche und der mediterrane Lebensstil machen aus dieser eleganten Metropole ein wahres Meisterwerk. Hier verrät Baltic Outlook Journalist James Taylor seine Geheimtipps für Barcelonas versteckte Orte.

Ich stehe am Barceloneta, dem beliebtesten Strandabschnitt von ganz Barcelona. Hier bietet sich mir ein Anblick, der nicht vielen vergönnt ist. Zum dritten Mal diese Woche bin ich am frühen Morgen zum Baden an den Strand gefahren und habe dabei eine geheime Welt entdeckt, die mit der Atmosphäre, die tagsüber am Barceloneta herrscht und von Menschenmassen und Verkäufern dominiert wird, die kaltes Bier, Mojitos und Badetücher anbieten, wenig zu tun hat. Nachdem ich nun beinahe drei Jahre in Barcelona lebe, weiß ich diese seltenen Momente sehr zu schätzen – ruhige Momente voller Frieden und Stille. Und da Europa gerade erst wieder für den internationalen Tourismus geöffnet wird und noch deutlich weniger Besucher nach Barcelona kommen als in anderen Jahren, gibt es tatsächlich mehr dieser ruhigen Momente als jemals zuvor.

Wanderung durch die Natur

Leider haben viele Leute den Eindruck, bei Barcelona würde es sich um eine Stadt ohne Grünflächen handeln, aber das stimmt nicht. Die Einwohner von Barcelona sind sehr aktiv und lieben jegliche Form von Ausflügen mit Freunden in die Natur. Der Strand ist ein naheliegendes Ziel, aber früh am nächsten Tag entscheide ich mich dafür, einen anderen beliebten Ort in Barcelona zu besuchen, an dem man aktiv werden kann: Die Berge. Ich fahre Richtung Norden und im Zickzack durch die einem Labyrinth ähnelnden Straßen von Eixample auf meinem Weg zum berühmten Tibidabo Berg. Die Wanderung auf den Berg ist für viele Einheimische eine willkommene Aktivität, um an die frische Luft zu kommen und dabei den herrlichen Blick auf die Stadt zu genießen. Besucher können so Barcelonas Zusammenspiel aus städtischer Kulisse und einer atemberaubenden Natur erleben.

 

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Nur wenige wissen, dass die gesamte Berglandschaft im Inland von Barcelona aus dem Serra de Collserola Nationalpark besteht. Dieser wird als die grüne Lunge der Stadt angesehen und erstreckt sich mit seinen fantastischen Wanderwegen über mehr als 8.000 Hektar. Die einfachste und beliebteste Route ist die Carretera de les Aigues, auf Deutsch ‚Weg des Wassers‘. Dieser Schotterweg führt horizontal am Berghang entlang und wurde früher als Versorgungsstraße für eine Pipeline genutzt, die Wasser in die umliegenden Haushalte transportierte. Heute tummeln sich hier aktive Einheimische in der Natur.

Ganz gleich, für welchen Weg man sich entscheidet, wenn man bergauf in Richtung Berge unterwegs ist, trifft man unweigerlich auf diese Strecke. Ich erreiche sie nach dem Bewältigen einer langen Treppe, die zwischen riesige Häuser mit hohen Zäunen und Infinity-Pools mit Blick über Barcelona gequetscht ist. Von dort aus biege ich auf den Pfad ab und finde mich inmitten von Radfahrern, Joggern und Pärchen wieder, die mit ihren Hunden Spazieren gehen. Unter uns bietet sich der sagenhafte Panoramablick über Barcelona, das sich umrahmt von einem blauen Himmel funkelnd bis hin zum Meer erstreckt.

Ich folge der Straße eine Weile, doch mein heutiges Ziel lautet Tibidabo,  deshalb biege ich auf einen anderen Pfad ab, der mich zum Berggipfel bringt. Es ist eine einfache Wanderung und ich folge einem Fußweg an der Straße, der bis ganz nach oben führt. Der berühmte Freizeitpark ist heute geschlossen, deshalb empfängt mich absolute Stille – eine Rarität in dieser belebten Stadt. Ich setze mich auf eine Bank, um mich vom Anstieg zu erholen, und bewundere die beeindruckende Kirche direkt über mir. Für Besucher der Stadt, die sich gerne ein wenig sportlich betätigen, ist dies einer der ganz besonderen Momente in Barcelona.

 

Die Stunde des Wermuts

Es gibt eine Entwicklung, die im Laufe der Jahre bewahrt wurde: La Hora de Vermut, oder auf Deutsch: Die Stunde des Wermuts. Es ist besonders angesagt, sich mit Freunden und der Familie in der Stadt auf einer Terrasse zu treffen und eines der berühmtesten Getränke von Barcelona zu bestellen: Einen köstlichen, starken Wein mit Kräutern und Gewürzen, der eiskalt mit einem Eiswürfel, einer Orangenscheibe und einer Olive auf einem Zahnstocher serviert wird. Nein, wir sprechen nicht von Sangria, obwohl das dunkle Burgunderrot definitiv ein wenig daran erinnert. Dies ist auch nicht der Wermut, den man aus anderen Regionen Europas kennt, und den man in der Regel verwendet, um einen Martini zu mixen. Beides kann diesem Getränk einfach nicht das Wasser reichen.

 

‚Diesen Wein haben schon unsere Großeltern getrunken und junge Menschen rührten das Zeug niemals an. Mittlerweile ist es aber einfach wieder cool!‘ sagt der Barkeeper in der Bar Calders im Viertel Sant Antoni. Es ist ein herrlicher Samstagnachmittag und die Sonne fällt durch die grünen Bäume an der Straße vor der Tür. Er stellt ein kleines Glas Wermut vor mir hin, dazu gibt es eine Auswahl salziger Snacks, die ich bestellt habe – Chips, Oliven und eine offene Dose Muscheln in würziger Sauce. Meine Magen knurrt, als er sich wieder der gut besuchten Bar zuwendet, und ich widme mich meinem aromatischen Wermut. Der erste Schluck ist immer besonders erfrischend.

 

 

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Für viele Einheimische ist Gràcia der angesagteste Stadtteil, doch ich habe das Gefühl, dass Sant Antoni ihm bald den Rang ablaufen könnte. Das Viertel drängt sich um die Carrer del Parlament, die Hauptstraße der Gegend, und ist bei den angesagten Barcelonern ziemlich gefragt. Die meisten von ihnen haben, so wie ich, ein Glas Wermut in der Hand, ein ganz normaler Anblick im Barcelona von heute. Aber wie der Barkeeper es schon angedeutet hat, vor zehn Jahren hätte man nur schwer einen halbwegs anständigen Hipster in Barcelona gefunden, der Wermut trinkt. Die jüngeren spanischen Generationen haben stets großen Wert darauf gelegt, sich von den schwierigen Jahren unter Franco zu lösen, und da der Wermut ein beliebtes Getränk der Arbeiterklasse zu dieser Zeit war, konnte es bei jungen Menschen nie wirklich einen Erfolg landen. In den letzten zehn Jahren haben sich jedoch viele von ihnen auf ihre Wurzeln besonnen und so gehört er mittlerweile in Barcelona wieder zum Alltag dazu.

 

Der mediterrane Lebensstil

Barcelona zeichnet sich durch eine unwiderstehliche Mischung aus Stadtleben und entspannter mediterraner Atmosphäre aus. Für mich könnte dieses Gefühl kaum besser widergespiegelt werden, als bei einem Abend am Stadtstrand mit Freunden. Ich spaziere im goldenen Licht des Spätnachmittags durch das schattenhafte gotische Viertel in Richtung Küste. Dabei komme ich durch Barceloneta mit seinen engen Straßen und hohen Wohnhäusern, auf deren Balkonen die Wäsche in der Meeresbrise trocknet. Am Meer gehe ich weiter, bis ich den Strand Bogatell erreiche, wo ich mit Freunden verabredet bin. Wir setzen uns auf Tüchern in den Sand und unterhalten uns, während die untergehende Sonne rosa und orangefarbene Streifen auf den Himmel malt. Über dem Meer geht der Vollmond auf, der von dem verbleibenden Tageslicht in eine dunkelrote Farbe getaucht wird.

Neben mir sitzt Elena, eine junge Argentinierin, die erst kürzlich nach Barcelona gezogen ist. Im Schneidersitz betrachtet sie den Mond. ‚Ich bin gerade erst aus Paris hergezogen‘ erzählt sie in ihrem argentinischen Akzent. Als ich sie nach dem Grund frage, fällt es ihr schwer, die richtigen Worte auf Englisch zu finden. Schließlich sagt sie: ‚Es ist die Atmosphäre. Diese Stadt hat eine ganz einzigartige Atmosphäre.‘ Wir sitzen noch lange bis nach Sonnenuntergang am Strand und genießen den dunkelblauen Abendhimmel und die warme Luft vom Meer.

Am nächsten Morgen mache ich mich wieder auf den Weg zum Strand und breite mein Handtuch neben einer Gruppe älterer Katalanen aus. Ich nicke ihnen ein Bon Dia zu, während sie im Sand stehen und ihre Zigarren rauchen. Im modernen Barcelona hat es etwas eigenartig Beruhigendes, dass diese Männer jeden Tag wieder für ihr morgendliches Bad an den Strand kommen. Diese Stadt zeichnet sich wirklich durch ihre besondere Atmosphäre und ihre Lust am Leben aus. An diesem Ort kann jeder – wenn auch nur für kurze Zeit – den mediterranen Lebensstil auf eine ganz eigene Weise genießen und sich wie zuhause fühlen.

 

Erfahren Sie mehr über Barcelona im Baltic Outlook.

Text von James Taylor

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