Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Ihnen so viele Städte in Nord- und Mitteleuropa bekannt vorkommen, wenn Sie durch ihre historischen Zentren schlendern – selbst, wenn Sie sie zum ersten Mal besuchen? Die Antwort auf diese Frage liefert die Hanse: ein mittelalterlicher Zusammenschluss von Handelsstädten zur Vertretung gemeinsamer Handels- und Verteidigungsinteressen, der über Jahrhunderte den Wohlstand, die Architektur, die Kunst und sogar die Traditionen seiner Mitgliedsstädte beeinflusste.
Die Hanse wurde im 13. Jahrhundert als Zusammenschluss von Kaufleuten aus norddeutschen Städten wie Lübeck und Hamburg gegründet. Nach und nach wurde sie auch um Städte und Gemeinden rund um die Küsten der Ost- und Nordsee von Deutschland und den Niederlanden bis hin nach Lettland und Estland erweitert. Vom 13. bis zum 15. Jahrhundert umfasste die Hanse etwa 200 Städte und dominierte damit den Handel in Nordeuropa. Sie vertrat die Interessen der Kaufleute dieser Städte und sorgte für einen reibungslosen Fluss von Waren wie Holz, Honig, Getreide, Stoff, Fisch und vielen weiteren zwischen ihnen. Das kulturelle und architektonische Erbe der Hanse ist noch heute in diesen Städten spürbar. Hier ist eine Liste der schönsten Hansestädte im Baltikum:
Lettland
Riga
Riga liegt an der Ostseeküste, an der Mündung des Flusses Daugava, und ist ein klassisches Beispiel für die Hansestädte. Kein Wunder, wurde sie doch erst wenige Jahrzehnte nach der Gründung der Stadt Mitglied der Hanse. Riga war ein Zentrum allen Handels, das Westeuropa und Russland miteinander verband. Durch die Einflüsse der anderen Handelsstädte wurde die Stadt Riga sowohl in ihrer Architektur als auch in der Stadtentwicklung zu einer typisch westlichen Stadt.
Auch die Straßennamen der Altstadt erinnern an die Hansezeit, die verschiedenen Handwerken wie Schmieden, Webern und Kaufleuten gewidmet sind. Durch die Hanse kam auch die gotische Architektur nach Riga – ein prominentes Beispiel dafür ist die im 13. Jahrhundert erbaute Petrikirche. Das in der Nähe liegende, älteste erhaltene Wohnhaus der Stadt ist einer der sogenannten „Drei Brüder“ und erinnert an die engen Beziehungen, die Riga einst zu niederländischen Händlern pflegte. Zu den anderen architektonischen, von den Kaufleuten der Stadt erbauten Wundern gehören das malerische Schwarzhäupterhaus und die Große Gilde.
Im heutigen Riga ist der Haupteinkaufsplatz der Zentralmarkt. Er erstreckt sich über fünf spektakuläre Pavillons (ehemalige Militärluftschiffhangars) und ist damit einer der größten Marktplätze Osteuropas. Auf der linken Uferseite des Flusses Daugava finden Sie den kleinen Bruder des Marktes aus dem 20. Jahrhundert – den Markt in Āgenskalns – und den jedes Wochenende stattfindenden Kunsthandwerkermarkt im Viertel Kalnciema.
Kuldīga
Eine wichtige mittelalterliche Handelswasserstraße floss von der Ostsee in den Fluss Venta im Westen Lettlands und verband die Küstenstadt Ventspils mit Kuldīga. Kuldīga wurde Mitte des 14. Jahrhunderts erstmals in den Dokumenten der Hanse erwähnt und als „Lagerhaus“ des Herzogtums Kurland bekannt.
Ein verheerender Brand zerstörte im Jahr 1615 den Großteil von Kuldīga, aber die Stadt wurde wieder aufgebaut und ist heute mit ihren gut erhaltenen Holzhäusern aus dem 17. Jahrhundert und dem im 19. Jahrhundert erbauten Rathaus im Barockstil eine der charmantesten Städte der Region. Die engen Gassen, vor allem die Liepājas iela, sind von einer Vielzahl an Cafés und Geschäften gesäumt.
Im 19. Jahrhundert erhielt Kuldīga einen beeindruckenden neuen Zugang – die wunderschöne, in die Altstadt führende Backsteinbrücke mit herrlichem Blick auf den Ventas Rumba, Europas breitesten Wasserfall. Im Sommer ist der Wasserfall besonders bei Sonnenhungrigen beliebt, die sich nach einer Abkühlung sehnen.
Limbaži
Obwohl dies heute schwer vorstellbar ist, war die Stadt Limbaži bis ins 16. Jahrhundert mit Seeschiffen von Städten wie Lübeck und Kopenhagen aus gut zu erreichen. Der wichtigste Zeitzeuge aus dieser Ära sind die Ruinen der mittelalterlichen Burg Limbaži. Die kleinen Handelslager rund um die Burg entwickelten sich nach und nach zu einer Stadt, die lediglich von Riga übertroffen wurde. Jedes Jahr im August verwandelt sich die Burgruine in einen Marktplatz, der die Handelsgeschichte der Stadt ehrt.
Foto von Visit Limbaži Homepage
Während außer der mittelalterlichen Burg nur wenige architektonische Bauwerke aus der Zeit der Hanse erhalten sind, ist die Stadtstruktur selbst seit dem 14. Jahrhundert im Wesentlichen gleich geblieben. Ģildes iela ist eine der Straßen, deren Geschichte auf das 14. Jahrhundert zurückgeht, und eine der bemerkenswertesten Stätten in der Stadt ist das ehemalige Rathaus, in dem vor Kurzem prächtige Wandgemälde aus dem 19. Jahrhundert entdeckt wurden.
Foto von Visit Limbaži Homepage
Im Gebäude ist außerdem das Silbermuseum untergebracht, in dem die umfangreichste Silbersammlung des Baltikums ausgestellt wird. Es heißt, dass Limbaži während der Hansezeit die Heimat der besten Brotbäcker der Gegend war. Dieses Vermächtnis wird von der örtlichen Bäckerei Lielezers am Leben gehalten, die für ihr Roggenbrot bekannt ist.
Valmiera
Die im Norden von Lettland und am Ufer der Gauja gelegene Stadt Valmiera galt als regionales Zentrum und ist es bis heute geblieben. Die Stadt war für ihre hervorragenden Produkte wie Wachs, Honig und Pelze bekannt. Im 18. Jahrhundert wüteten dort zahlreiche Brände, die die frühere Architektur zerstörten. Die Ruinen der Livonischen Ordensburg lassen jedoch darauf schließen, dass die Geschichte der Stadt bis ins Mittelalter zurückreicht. Ein weiteres historisches Wunder ist die St.-Simon-Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die zu den ältesten religiösen Bauwerken Lettlands zählt.
Foto von der Homepage von Enter Gauja
Ähnlich wie im Mittelalter, als die Wasserstraßen der Stadt Händler nach Valmiera lockten, zieht heute die Gauja mit ihrer spektakulären Natur Urlauber an. Ein beliebter Ort unter Einheimischen ist der Park der Sinne, ein Naturlehrpfad entlang des steilen Flussufers, der alle Sinne anregt. Was Sie sich bei Ihrem Aufenthalt in Valmiera auf keinen Fall entgehen lassen sollten, ist das Bier Valmiermuiža, das als eines der besten Biere des Landes gilt. Besuchen Sie dafür am besten die Brauerei Valmiermuiža am Stadtrand.
Cēsis
Schon seit dem Mittelalter hat die Gauja eine anziehende Wirkung auf Besucher von weit her. Damals waren es die praktischen Wasserwege des Flusses, die sie anlockten und der Stadt einen Platz in der Hanse sicherten. Trotz zahlreicher Brände im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Altstadt ihr mittelalterliches Stadtbild und sogar einige mittelalterliche Bauwerke wie die Johanniskirche aus dem 13. Jahrhundert, das Rathaus und das Handelshaus erhalten.
Das beeindruckendste Bauwerk ist jedoch die mittelalterliche Burg Cēsis, um die sich die Stadt entwickelte und die Kämpfe zwischen russischen, polnischen und schwedischen Truppen miterlebte. Ihr heutiges äußeres Erscheinungsbild und ihre majestätischen Innenräume gehen auf das 16. Jahrhundert zurück und die Burg ist für Besucher geöffnet. Im Sommer können Besucher im Burggarten mittelalterliche Sportarten ausprobieren und sich an antikem Handwerk versuchen.
Das heutige Cēsis vereint Alt und Modern auf geschickte Weise und ist einer der beliebtesten Orte für Rigenser, um einen naturverbundenen Lebensstil zu genießen. Die historischen Straßen sind daher von Co-Working-Büros, Kunstgalerien, eleganten Cafés und Restaurants gesäumt. Die anziehendste Wirkung auf Besucher übt jedoch nach wie vor die Gauja mit ihrer Vielzahl an Naturwundern aus, darunter der Naturlehrpfad Cīrulīši, die Ergļu- (Adler-) und die (Roten) Sarkanās-Felsen, die Sandsteinfelsen Līču-Laņģu und die unterirdischen Seen Vējiņi. Jeden Sommer finden hier das Kunstfestival von Cēsis und das Gesprächsfestival „LAMPA“ statt.
Estland
Pärnu
Pärnu liegt zwischen Tallinn und Riga an der Ostseeküste, an der Mündung des Flusses Pärnu, und ist eine malerische Stadt auf der Hanseroute. Die Handelstätigkeit der Stadt erlebte im 14. und 15. Jahrhundert ihren Höhepunkt. Aufgrund mehrerer Brände sind keine Gebäude aus der Hansezeit vollständig erhalten geblieben, jedoch gehen Teile einiger Gebäude wie die ersten beiden Etagen des Roten Turms (ein ehemaliges Gefängnis) in der Hommiku tänav auf das Mittelalter zurück. Das Flusstor (Aida 3) bietet ebenfalls einige originale Details aus dem 14. Jahrhundert.
Die Fischer von Pärnu sind seit dem Mittelalter berühmt und ihre Fänge gelten noch heute als erstklassig. Von Kabeljau und Aland bis hin zu Zander und Hering – die besten Orte zum Genießen von frischem Fisch und Meeresfrüchten sind die im White Guide der Stadt angeführten Restaurants. Pärnu ist nicht nur ein langjähriger Erholungsort und eine Hafenstadt, sondern wurde im Jahr 1996 auch zur Sommerhauptstadt Estlands. Angesichts der breiten Sandstrände und der zahlreichen Spazierwege der Stadt ist dieser Titel wenig überraschend. Bei einem Spaziergang vorbei an den traditionellen Holzhäusern der Fischer und luxuriösen Villen von Pärnu kommt man sich wie in einer Freilichtgalerie vor. Besuchen Sie auch die beiden in die Bucht ragenden Stege – einer Legende zufolge kann zwei Liebende, die die gesamten zwei Kilometer der Wellenbrecher Hand in Hand entlang spazieren, nichts jemals trennen. Auch Radwege und einige Spas gibt es in der Stadt, um den Vorlieben jedes Besuchers gerecht zu werden.
Tartu
Foto von Peeter Jrvelaid
Die zweitgrößte Stadt Estlands ist ein intellektuelles und kulturelles Zentrum mit einer weitläufigen Start-up-Szene und gleichzeitig eine der ältesten Städte im Baltikum. Tartu wurde im 13. Jahrhundert am Ufer des Flusses Emajõgi gegründet und war ein wichtiger Handelsplatz zwischen Pskow und Nowgorod.
Einer der hanseatischen Schätze der Stadt ist die Kathedrale von Tartu, ein beeindruckendes Bauwerk aus rotem Backstein, dessen Bau im 13. Jahrhundert begann und im 16. Jahrhundert fertiggestellt wurde. Ein weiteres beeindruckendes gotisches Bauwerk der Stadt ist die Johanniskirche mit einer einzigartigen Sammlung gut erhaltener, originaler Terrakotta-Skulpturen. Die Aussichtsplattform der Kirche bietet einen atemberaubenden Blick auf die Altstadt.
Da die Stadt eine der ältesten Universitäten Nordeuropas beherbergt, ist Tartu auch eine lebendige Studentenstadt, in der eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen stattfindet und farbenfrohe Straßenkunst zu finden ist. Im Jahr 2016 wurde auch der Stadtrand durch das Estnische Nationalmuseum modernisiert, das sich auf einem ehemaligen sowjetischen Militärstützpunkt befindet.
Viljandi
Umgeben von grünen Wäldern und mit einem See mitten in der Stadt sorgt die im Süden Estlands gelegene Stadt Viljandi für ein friedliches Ambiente. Im Mittelalter florierte sie als Teil der Hanse-Handelsroute. Ein bedeutender Zeitzeuge aus dieser Ära sind die beeindruckende Ruinen der Livonischen Ordensburg mit spektakulärem Blick auf den See Viljandi. Die Ruinen sind über eine charmante Hängebrücke zugänglich.
Die umliegende Landschaft und die außergewöhnliche Sammlung von Holzbauten verleihen der Stadt ein ruhiges und friedliches Ambiente, obwohl hier das lauteste Event des Landes ausgerichtet wird – das viertägige Viljandi Folk Music Festival. Das Stadtsymbol Viljandis ist die Erdbeere – insgesamt finden Sie hier acht große Erdbeeren aus Beton. Sie wurden vom legendären Gemälde Erdbeerenesser des einheimischen Künstlers Paul Kondas inspiriert, da die Menschen von Viljandi den Personen auf dem Gemälde ähneln sollen. Wie in anderen Hansestädten finden auch in Viljandi jedes Jahr im Juli die Hansetage statt, in denen sich die ganze Stadt in einen weitläufigen Marktplatz verwandelt. Dies ist eine großartige Gelegenheit, den estnischen Naturreichtum zu genießen.
Tallinn
Die Altstadt von Tallinn gilt als besterhaltene mittelalterliche Stadt Nordeuropas. Zu Zeiten der Hanse wurde sie vor allem von wohlhabenden Kaufleuten aus Westeuropa bewohnt. Tallinn ist eine der wenigen Städte, deren Altstadt sich ihr ursprüngliches mittelalterliches Stadtbild, einschließlich der Festungsmauer, bis heute bewahrt hat. Aus diesem Grund wurde sie in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.
Foto von Rene Altrov
Die damals als Reval bekannte Stadt Tallinn war die nördlichste Hansestadt und fungierte wie Riga als Verbindungspunkt zwischen der Hanse und russischen Händlern. Ihre Kopfsteinpflasterstraßen sind von spektakulären mittelalterlichen Gebäuden im gotischen Stil gesäumt. Zu den Highlights gehören das Rathaus, die Domkirche, die Große Gildenhalle und die Pferdemühle.
Allerdings hat Tallinn noch mehr als die Altstadt zu bieten. Die „Telliskivi-Kreativstadt“ ist unter europäischen Hipstern bereits sehr bekannt. Diese designbegeisterten Besucher können die estnische Hauptstadt nicht verlassen, ohne eine Tasse Kaffee im industriell schicken Rotermannviertel getrunken zu haben.
Foto von Kaupo Kalda
Besonders in der warmen Jahreszeit sollten Sie sich außerdem auf keinen Fall das kürzlich renovierte Noblessner entgehen lassen – eine ehemalige U-Boot-Werft für das Russische Reich, die heute einige der besten Restaurants, Bars und das Kunstzentrum Kai beherbergt.
Litauen
Kaunas
Die von den beiden Flüssen Memel und Neris umgebene Stadt Kaunas wurde aufgrund ihrer strategischen Lage im Jahr 1441 in die Hanse aufgenommen – ein Ereignis, das noch heute zelebriert wird. Jedes Jahr finden die Hansetage hier am Rathausplatz statt, der damals als Marktplatz und Zentrum allen Handels bekannt war. Dank des ein- und ausgehenden Warenflusses über die Flüsse expandierte und florierte Kaunas. In dieser Zeit erhielt die Stadt auch ihr stattliches Rathaus, das so strahlend weiß ist, dass es auch der „weiße Schwan“ genannt wird.
Heute werden im Rathaus wichtige feierliche Zeremonien wie Hochzeiten und Empfänge für berühmte Persönlichkeiten, darunter auch Papst Johannes Paul II., abgehalten. Ein weiteres beeindruckendes architektonisches Bauwerk ist das spätgotische Perkūno Namas. Das von einheimischen Kaufleuten erbaute Gebäude wurde später an die Jesuiten verkauft und diente als Theater und Schule. Einer der herausragendsten Schüler an dieser Einrichtung war der polnisch-litauische Dichter Adam Mickiewicz, dem ein Museum in diesem Gebäude gewidmet wurde.
Heute ist Kaunas ein Kulturzentrum mit eigener Biennale für zeitgenössische Kunst und einer Vielzahl ungewöhnlicher Museen, darunter das Teufelsmuseum, in dem Kunstwerke mit Teufeln aus der ganzen Welt ausgestellt werden. Den Kaufmannsgeist spürt man am besten in der Laisvės alėja, einer von Geschäften und Straßencafés gesäumten Straße. Um Kaunas in seiner ganzen Pracht zu erleben, sollten Sie sich zum kürzlich erneuerten Aussichtspunkt Aleksotas begeben, den Sie bequem mit der charmanten alten Standseilbahn erreichen.